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Geschichte der Pfarre Pernitz zwischen 16. und 17. Jh.

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Der Kampf um den wahren Glauben

Zu Beginn des 16. Jh. führten Missstände wie die zunehmende Verweltlichung des Klerus, ein Sakramentenverständnis, der Handel mit Ablassbriefen oder der Verkauf kirchlicher Ämter zu dem Wunsch, die römisch-katholische Kirche zu reformieren. Mit seiner in 95 Thesen formulierten Kritik am Ablasshandel leitete der deutsche Mönch Martin Luther 1517 eine Entwicklung ein, die schließlich die Aufspaltung des westlichen Christentums in verschiedene Konfessionen zur Folge hatte, die Reformation.
Bald musste sich jeder einzelne die Frage stellen, ob er dem Papst oder doch lieber Luther, Calvin oder Zwingli folgen und die neue Lehre annehmen sollte. Während die Habsburger als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches der römisch-katholischen Kirche treu blieben, wurden besonders nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 ein großer Teil des heimischen Adels und vieler Bürger der sich inzwischen stark entwickelnden Städte evangelisch. Da auch viele Priester lutheranisch wurden, ohne ihr Amt aufzugeben, herrschte bald allgemeine Verwirrung. Manche Gläubige hielten zum Pfarrer, weil der Pfarrer ja immer schon gewust habe, was man glauben sollte, andere hielten gegen ihn, weil es ihnen verdächtig vorkam, dass der Glaube der Väter nun plötzlich falsch sein sollte.

Lutherus triumphans
Papst Leo X. im Kampf gegen Martin Luther, „Lutherus triumphans“, Karikatur um 1568

 

Auch das Kloster Neuberg blieb nicht von der Reformation verschont.

Auf wiederholte Klagen hin beauftragte König Ferdinand I. den Abt von St. Lambrecht, das Stift Neuberg zu visitieren, die Wirtschaftsführung und den Lebenswandel des Abtes Martin zu überprüfen. Dieser soll länger schwer krank gewesen sein und legte 1538 sein Amt zurück. 1541/42 starben im Kloster neun Mönche, darunter der Abt und sechs Priester, das war ein Drittel des Konvents. Unter Abt Ambros Wagner (1541-1545) lebten dann nur noch zwölf Mönche im Kloster, davon nur drei Priester. Während in ruhigeren Zeiten manche Äbte ihr Amt jahrzehnte innehatten, wurden zwischen 1540 und 1552 nicht weniger als sech Äbte gewählt.
1543 beauftragte Ferdinand I. den landesfürstlichen Vicedom Christoph Polt, in ganz Österreich festzustellen, wie es um die Klöster und Pfarren bestellt sei. In Begleitung dreier Herren und eines Schreibers reiste der Vicedom mit sechs Wagen zu je zwei Pferden durch das Land. Die Erkenntnisse wurden im Gaistliche Closter- und Pfarren Visitationsbuech de Annis 1543 und 44 festgehalten, das sich heute im Haus-,Hof- und Staatsarchiv Wien befindet. Über Pernitz heißt es:

Pfarr Pernitz, incorporirt dem Kloster zu Neuperg. Pfarrer Rupertus Pugler. Vor Jahren ist ein Conventual da gewesen. Aus Mangel an Brüdern ist ein Laienpriester allda. … Capelle St. Sebastian, incorporiert zu Pernitz. Nachdem sie kein Einkommen hat, wird sie von der Pfarre Pernitz versehen. Die Zechleute haben 2 Tagwerk Wiesen, 5 Tagwerk Weingärten.

Mangels geeigneter Patres war Neuberg also gezwungen, in Pernitz Weltpriester einzusetzten. Es ist nicht verwunderlich, dass auch einige von ihnen vom katholischen Glauben abfielen und den neuen predigten. Im April 1554 wurde der Pernitzer Pfarrer Stephan Kentscher wegen verschiedenen irrigen Glaubensartikeln vor das Consistorium citiert, wo er sich zu rechtfertigen hatte. Kaum ein Pfarrkind von Pernitz war in der Lage, die theologischen Streitpunkte zu begreifen.

Kaiserlicher Zuspruch für Priesterehe

Für viele Priester mag die von Luther nicht nur erlaubte, sondern sogar geforderte Priesterehe ein Anreiz gewesen sein, zu seiner Lehre überzutreten. Selbst Ferdinand I., inzwischen Kaiser, trat für sie ein und verhandelte mit dem Papst darüber. Viele katholische Geistliche dachten zu dieser Zeit, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis ihnen die Heirat gestattet werde, nahmen die Erlaubnis vorweg – und eine Frau zu sich. Bei einer Visitation im Auftrag von Kaiser Maximilian II. stellten die Kommisäre im Jahr 1575 fest, dass im Kloster Neuberg mit fünf Zisterziensermönchen auch eine uxor, also Ehefrau, drei Konkubinen und zwölf Kinder lebten.
1579 scheint für kurze Zeit Jacob Stindl als Pfarrer in Pernitz auf. Er soll drei Jahre Prior des Klosters Mariazell in Österreich (Klein-Mariazell) gewesen sein, bis er 1578 wegen Frauengeschichten und der Veruntreuung von 1300 Eimern Wein gehen musste. Der neuen Lehre hing er allerdings nicht an. Das zeigt der Zwischenfall vom 24. Juni 1579, als er Klara von Neudeck, die Schlossherrin von Wildegg, ihren protestantischen Prediger und ihr gesammtes Gefolge aus der Kirche von Sittendorf, in der er der rechtmäßige Pfarrer war, vertreiben wollte. (Unklar ist, ob Stindl zu diesem Zeitpunkt offensichtlich dem Stift Heiligenkreuz zugehörig, schon wieder aus Pernitz weg war, oder ob er erst danach kam)
Was aber hätten manche Pernitzer des 20.Jh., die sich über diese oder jene Priester oder Kaplane ereiferten, gesagt, wenn sie Stindls Nachfolger gekannt hätten? Dessen Name war Paul Kitz und um 1580 waren die Pernitzer zu der Überzeugung gekommen, dass er nur eine Sache gut konnte: Wenn es mit Weintrinken aussgericht wär, kundten ja kein bessern Pfarher bekumen. Bereits sein Frühstück bestand aus Wein. Wenn er dann überhaupt in der Kirche erschien, so hielt er keine Messe, wie mirs von Alter her gwont sein gewest, sondern predigte nur, bzw. versuchte eine Art Predigt von einem Zettel abzulesen, bevor er wieder verschwand.
Als er das neugeborene Töchterchen von Colman Strebinger aus Neusiedl irrtümlich auf den Namen Michel taufte, musste dieses den Bubennamen beibehalten. Drei, vier Mal in der Woche zog er laut schimpfend und mit einem Säbel bewaffnet durchs Dorf und suchte nach Streit. Einmal schlug er grundlos den Gemeindehirten beinahe tot, der das Pech gehabt hatte, ihm über den Weg zu laufen. Ein anderes Mal kam er beim Grassach-Hof vorbei. Es war niemand dahaimb, asl klaine Kinder. Seelenruhig plünderte der Pfarrer die Vorräte, sott sich in der Küche einen Karpfen und bediente sich im Keller am Weinfass.
Gefürchtet war auch des Pfarrers Eheweib, das sich auf dem Nachhauseweg vom morgendlichen Wirtshausbesuch mit dem Dorfrichter schlug oder androhte, sie werde das Dorff von Grundt aussbrennen. Man nahm die Drohung ernst, hatte sie doch zuvor bereits ein Nebengebäude des Pfarrhofes in Brand gesteckt. Schließlich wussten sich die Pernitzer im Jahr 1582 nicht mehr anders zu helfen, als eine Beschwärung der gantzen ersamen Nachperschafft zue Pernitz wider Herr Paul Kitz, Pfarher daselbst an den Abt von Neuberg zu senden. Der im Steiermärkischen Landesarchiv aufbewahrte Brief beendet die Aufzählung der Kitz’schen Untaten mit der Bitte: Wir könen fehrer nit hausen mit im, wir bitten, Ewr Gnadt wölle vns ein andern Priester zuestellen, seys gleich was für einen wölle, wons gleich ein ehrwürdiger Herr auss einem Kloster wär, wir wolten in schoen vnd werdt halten. Pfarrer Kitz wurde schließlich entfernt und wirkte später in der Pfarre Pottschach (heute Ternitz).
Der Pfarrer von Waidmannsfeld musste zwischen 1544 und 1579 auch die priesterlosen Kirchen von Waldegg und Scheichenstein mitbetreuen, sodas es nicht möglich war, jeden Sonntag Gottesdienst zu halten. In den dortigen Kirchenrechnungen aus den Jahren 1579 bis 1595 finden sich keine Auslagen mehr für große Oblaten, Opferwein, Weihrauch oder für die Fronleichnams-Prozession, was bedeutet, dass die Pfarrer vom alten Glauben abgefallen waren. Pfarrer Fabian Hirschreiter (†1582) soll nach protestantischer Sitte das Heilige Abendmahl in beiden Gestalten ausgeteilt haben, ebenso wie sein Nachfolger Hieronymus Rorer (*1555).

Gegen Ende des Jahrhunderts jedoch begann auch im Piestingtal die Gegenreformation zu greifen.

Am 28. April 1595 kaufte Ludwig Gomez aus dem spanischen Geschlecht der Hoyos, der seit 1547 die Burg Stixenstein besaß, vom Kaiser auch die Herrschaft Gutenstein. Dieser erhob Stixenstein und Gutenstein zu einer Baronie, und die von Hoyos durften sich fortan Freiherren nennen. Noch im selben Jahr entfernte der ebenso rom- wie kaisertreue Freiherr den Hieronymus Rorer, den protestantischen Pfarrer von Waidmannsfeld. Erhalten blieb ein handschriftliches Zettelchen des Pfarrers, auf dem er um zwei Kühe, Heu und Stroh bittet – um seiner Kinder willen:

Wollgeborener Gnediger Herr, Es wär noch mein hoch fleißig demüthig Bitt und Bergen, umb Gottes willen, des Herrn Gnadten wollten doch nur die zwei Khullin mir und meinen unerzogenen Kindlein neben neuen Stro und Heu lassen ervolgen, dan solche Wolthat auch die klainen unmündigen Kindlein mit iren Züglein, davon sie ersettiget werden, das Lob und Dankhliedlin vor Gott preisen und sagen würdten.

Quelle: Andachtsstätten und sakrale Flurdenkmäler in Pernitz, Muggendorf und Neusiedl